Suche nach dem Ungreifbaren


Sreeraj Gopinathans künstlerische Entwicklung ist von experimenteller Natur. Die Häufigkeit der stilistischen und technischen Verzweigungen versteht sich als Spieglung seiner weitläufigen Interessengebiete. Die Themen erstrecken sich von zeitlosen Fragen, welche die Menschheit seit jeher beschäftigen, wie die des Ursprungs allen Seins, bis hin zu brisanten Inhalten wie Natur- und Klimaschutz und die Zukunft menschlichen Lebens. Seine Arbeiten bedienen sich einer über kulturelle und räumliche Begrenzungen hinausgehenden Sprache.


Insbesondere die Erfahrungen in der westlichen Welt und die sich dort eröffnenden Möglichkeiten wandelten Sreeraj Gopinathans Arbeitsweise in ein komplexes, unkonventionelles Flechtwerk unterschiedlicher Disziplinen. Er sieht seine Arbeiten nicht als vollendet an, sondern lediglich als Szenarien einer unvorhersehbar voranschreitenden Suche. Was ihn vorantreibt sei kein feststehendes Ziel, eher eine sich parallel zu den Annäherungsversuchen fortbewegende Fata Morgana, die sich scheinbar berühren lässt, jedoch ungreifbar bleibt. Sein Streben wird von einer Rätselhaftigkeit begleitet, die ihn zwar stetig zum Weiterbewegen drängt, am Ende aber ins Nirgendwo führt. "Vielleicht drehe ich mich nur im Kreise. Doch solange ich nicht still stehe, bleibt es eine spannende Reise, vor allem, weil sie nie am vermeintlichen Bestimmungsort endet." Sreeraj Gopinathan konstatiert seinen Schaffensprozess als einen Diskurs mit Zweideutigkeiten. Für sich selbst wählt er lieber die Rolle des Beobachters als die des Schöpfers.

Copyright © Sreeraj Gopinathan

Seit Beginn seiner künstlerischen Entfaltung übten menschliche Antlitze eine Faszination auf Sreeraj Gopinathan aus. Das Versenken in ihre Details führte ihn auf eine Ebene der Verbundenheit, nicht mit der Person seines Gegenübers, sondern mit dessen innerem Wesen.

Die naturalistischen Portraitstudien veränderten sich mit seinem Eintritt in die Kunstakademie. Zunehmend interessierten ihn die von der Zeit gezeichneten Gesichter älterer Menschen. In den Schwarz-Weiß-Zeichnungen vermischten sich bald zerrissen wirkende Oberflächenstrukturen mit fossilienartigen, rindenähnlichen Elementen, als wollte der Künstler einen Zustand der Untrennbarkeit von Mensch und Natur abbilden.

Ein kaleidoskopischer Blick auf das Lebensgeflecht, dessen Undurchdringlichkeit jeden Versuch von ihm ein vollständiges Bild zu erstellen, permanent in die Leere laufen lässt, wäre eine Beschreibung für den Malstil um 1990. Irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit - so empfindet Sreeraj Gopinathan das Leben. Als etwas, von dem eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeht, ihn fesselt, jedoch nie befriedigende Antworten hinterlässt.


Der Beginn des Malereistudiums wurde zum Wendepunkt. Die Methodik veränderte sich dahingehend, dass der Schaffensakt nun gänzlich ohne Skizze und Festlegung hinsichtlich des Endergebnis von ihm ausgeführt wurde. Die Möglichkeit mit jedem Schritt etwas Unerwartetem zu begegnen, erzeugte eine neue Spannung. Als hätte der Künstler bei seinem Versuch die Natur zu simulieren, der Hand des Geschehenlassens den Entstehungsprozess überlassen, sodass am Ende der wahre Schöpfer des Werkes nicht mehr nachvollziehbar wird. Auf seinem Schaffensweg hat diese Vorgehensweise nie an Aktualität verloren.

Beeinflusst von einem ihn emotional bewegenden Ereignis veränderten sich um 1994 die Zeichnungen. Sie konzentrierten sich nun auf Ganzkörpermotive und ließen eine fließendere Linienführung erkennen.


Die Figuren erinnern an Wartende in einer Zwischenwelt, bevor sie ihre vorbestimmte Reise antreten. Die Körper, die zum Teil mit abstrakten Formen wie verschmolzen dargestellt sind, zeigen weder individuelle Eigenschaften noch Geschlecht. Sie symbolisieren die nicht nur auf den Menschen begrenzte zeitlose Existenz.

Das Leben aus einer kosmischen Perspektive zu betrachten, formte Sreeraj Gopinathans Arbeit. Unbeeinflusst von den sich verändernden, oft divergierenden Ausdrucksweisen zog sich das Thema wie ein roter Faden durch seinen Werdegang. Die nie wirklich Erfüllung verheißenden Versuche die Wirklichkeit zu zeichnen, wurden zum Antrieb zumindest ihre Unergründbarkeit ansatzweise darzustellen.


Linien, die über die Oberfläche wandern und irgendwann an ihre Grenze stoßen, erwecken dennoch den Eindruck, endlos in alle Richtungen weiter zu verlaufen, bis die Vorstellungskraft ermüdet. Die wie in kontemplativer Versenkung sich verselbstständigenden Bewegungen seines Zeichenmediums lassen den Künstler selbst nicht erahnen, was sich letztendlich auf dem Papier manifestiert.

In den nachfolgenden Zeichnungen dominierten dynamischere Liniengewebe, durchzogen von immer feineren Strukturen. Die Körperformen begannen sich in einer Art Kontinuum aufzulösen, in dem das Menschliche mit dem Grenzenlosen verschmilzt.

Mit dem Verschwinden des Figurativen und der beinahe an "automatisches Schreiben" erinnernde Strichführung tendierten die Zeichnungen immer mehr zur Abstraktion.


Die hervortretenden Formen scheinen aus einer unbekannten Welt empor zu drängen, obwohl sie oft Erinnerungen an schon Begegnetes erwecken.

Die Acrylmalereien bilden eine Parallele zu den abstrakt-figürlichen Zeichnungen. Erst bei näherer Betrachtung lässt sich in den Farbschemen die übergeordnete Bedeutsamkeit von Licht und Dunkel wieder finden. Diese Kompositionen, die auf das ewige Spiel der beiden eingehen, bereiteten den Boden für die Installationen, in denen das Licht und seine Entsprechung zum Mittelpunkt avancieren.

Licht-Form-Kombinationen in individuellen Räumen entstanden. In das sich zwischen 2003 und 2013 herausformende Resensibilisierungsprojekt fließen sie mit ein. Das umfangreiche Vorhaben stützt sich hauptsächlich auf eine Fusion mehrerer, sich ergänzende Erfahrungsebenen und sieht einen Realisierungsverlauf in mehreren Etappen vor.

Bleistiftzeichnung

Ohne Titel

1988

Zeichnung

(Tusche/Pastell/Bleistift)

Ohne Titel

1988-92

Aquarell

Ohne Titel (Details)

1989

Tuschezeichnung

Eternal Journey

1994

Tuschezeichnung

Descent

1994

Kohlezeichnung

Ohne Titel

1995-96

Tuschezeichnung

Ohne Titel

1995-96

Kugelschreiberzeichnung

Ohne Titel

1996

Kugelschreiberzeichnung

Ohne Titel

1996

Acrylmalerei

Ohne Titel

1997-98

Fotoinstallation

Ohne Titel

1996-97

Lichtinstallation

Ohne Titel

2003-2013

Interdisziplinäres Projekt

SAMASYA

Teil - I - Resensitization

2016

Während des Studiums in Frankreich begann Sreeraj Gopinathan sich mit verschiedenartigen Techniken auseinanderzusetzen. Es entstanden erste großformatige Installationen aus miteinander kombinierten Fotomotiven.


Substanziell befasste sich diese Versuchsserie wieder mit der Gegenüberstellung von zwei Widersprüchlichkeiten - dem Greifbaren und dem Verborgenen. Diese in die Dreidimensionalität driftenden Arbeiten bildeten die Vorstufe der Lichtraum-Performance-Konzepte.

Texte: Margit Hess

Thema der ersten Etappe des Projekts SAMASYA ist die Veränderung des menschlichen Lebensverhaltens im Kontext mit dem Schutz des Lebensraums Erde. Sie stellt umsetzbare Lösungen vor im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz durch die Reduzierung des Energieverbrauchs, Verwendung überwiegend heimischer, vorzugsweise frischer Obst- und Gemüsesorten, ohne auf Genussfreude beim Essen verzichten zu müssen.


Da die Projektumsetzung eine aktive Rolle für das Publikum vorsieht, musste die Erreichbarkeit für jedermann gewährleistet sein. Deshalb wurde das Internet gewählt. Auf 111 Webseiten wird jeweils eine kulinarische Zubereitung präsentiert (Einführungsseite: www.indisch-kulinarisch.de), in denen Sreeraj Gopinathan Gewürze Südindiens mit vorwiegend heimischen Kräutern, Gemüse und Obst kombiniert. Die neuen Kreationen sollen als Inspirationsquelle fungieren und die Besucher einladen, das gesunde und klimaschonende Konzept selbst auszuprobieren. Inhaltlich geht es um die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Natur und das Natürliche. Das Erlebnis soll aber in erster Linie zum Wohlbefinden beitragen und die Aufmerksamkeit auf die Wiederbelebung unserer irdischen Wurzeln lenken.


Der zuerst im deutschsprachigen Raum erschienene Projektteil soll stufenweise erweitert werden. Mit dem Vorhaben möchte Sreeraj Gopinathan seinen Beitrag zum aktuellen Entwicklungstrend leisten, einen Bewusstseinswandel anstoßen, der die Heilung des Planeten nach sich zieht.

In der Zeit zwischen 1995 und 1996 entstanden eine Reihe von Portraits, die in den Schlaf versunkene Gesichter abbilden. Diese Tuschezeichnungen fokussierten den Unterschied zwischen sich in tiefer Ruhe befindlicher, vom Lebensalltag abgewandter Menschen und deren Wachzustand sowie die Untrennbarkeit beider.


Die menschliche Psyche und ihre Weltempfindung waren es, die damals Gopinathans Interesse auf sich lenkten. Für seine späteren mehrdisziplinären Arbeiten entwickelte sich dieses Thema zu einem wichtigen Gesichtspunkt.